Kriege ich in Sachsen Einreiseverbot?" 11FREUNDE

Udo Muras, anlsslich des 1000. Lnderspiels der deutschen Nationalelf haben Sie in den Statistiken des DFB recherchiert und herausgefunden, dass flschlicherweise 968 deutsche Nationalspieler gefhrt werden. In Wahrheit sind es 967, da der 1908in Hoyerswerda geborene Karl Joppich nie fr Deutschland gespielt hat.Ja. Der Strmer des SV Hoyerswerda 1919 wurde nach herausragenden Leistungen in Spielen

Udo Muras, anläss­lich des 1000. Län­der­spiels der deut­schen Natio­nalelf haben Sie in den Sta­tis­tiken des DFB recher­chiert und her­aus­ge­funden, dass fälsch­li­cher­weise 968 deut­sche Natio­nal­spieler geführt werden. In Wahr­heit sind es 967, da der 1908 in Hoyers­werda gebo­rene Karl Jop­pich nie für Deutsch­land gespielt hat.
Ja. Der Stürmer des SV Hoyers­werda 1919 wurde nach her­aus­ra­genden Leis­tungen in Spielen für die Süd­ost­deut­sche Aus­wahl von Reichs­trainer Otto Nerz für das Freund­schafts­spiel gegen Ungarn am 30. Oktober 1932 in Buda­pest nomi­niert. Er war einer von zwei Ersatz­spie­lern und durfte kaum auf einen Ein­satz hoffen. Aus­wechs­lungen waren ver­pönt und gab es, wenn über­haupt, nur bei Test­spielen wie diesem – und nur im Falle von Ver­let­zungen. Die genauen Ein­zel­heiten wurden von den Ver­bänden vorher aus­ge­han­delt. Eine Zei­tung schrieb, für diese Partie seien gar keine ver­ein­bart worden. Jop­pich erlebte die 1:2‑Niederlage also auf der Bank.

Warum wird er den­noch in den DFB-Sta­tis­tiken berück­sich­tigt?
Nach etwa 30 Minuten ver­letzte sich der Für­ther Ludwig Lein­berger am Knie. Fern­sehen gab es noch nicht und eine Radio­über­tra­gung wurde unter­sagt. Es gibt aber Fotos, die zeigen, wie er von einem Betreuer gestützt das Feld ver­lässt. Der Kicker“ berich­tete damals: „…er stürzte schwer und musste für etwa fünf Minuten durch Joppic (sic!), einen anschei­nend ganz farb­losen Spieler, ersetzt werden.“

Jop­pich hat also doch gespielt.
Nein! Die Zei­tung hatte keinen Redak­teur geschickt und einen externen Mit­ar­beiter im Ein­satz, der offenbar etwas sah, was sonst keiner sah. Denn Lein­berger kam nach kurzer Behand­lung wieder aufs Feld zurück und Jop­pich blieb draußen. Den Wechsel hatte der Kicker“ also exklusiv, ich habe ein halbes Dut­zend anderer Berichte aus­ge­wertet. Als ehr­li­cher Sports­mann mel­dete sich Jop­pich damals sofort beim Kicker“ und das Blatt druckte seine Gegen­dar­stel­lung als Mit­tei­lung aus der Redak­tion“: Zu unserem Bericht über Ungarn – Deutsch­land. Der als Ersatz­mann mit­ge­reiste Spieler Karl Jop­pich aus Hoyers­werda bittet uns zu berück­sich­tigen, daß er für den vor­über­ge­hend aus­ge­schie­denen Lein­berger n i c h t ein­ge­sprungen (ist).“

Damit sollte der Fall doch klar sein, warum wird Jop­pich den­noch in den DFB-Alma­na­chen als Natio­nal­spieler geführt?
Im Laufe der Jahre mel­deten sich Leser aus Sachsen beim Kicker“, die offenbar nicht wahr­haben wollten, dass er keiner war. Im Jahr 1938, als der erste Alma­nach erschien, in dem er ja noch fehlte, wun­derte sich ein Mann aus seiner Heimat, wo denn der Karl sei, der habe doch damals wohl zehn Minuten gespielt? Das ist dop­pelt falsch, weil er dann gegen Lein­berger wieder aus­ge­wech­selt worden wäre – und solche flie­genden Wechsel kennt der Fuß­ball nicht. Aber der Kicker“ schickte wegen der Nach­frage jemanden ins Archiv, viel­leicht den Prak­ti­kanten, und man fand im Spiel­be­richt der ein­zigen Zei­tung, die Jop­pich hatte spielen sehen, scheinbar die Bestä­ti­gung. Auf die Idee, nach einer even­tu­ellen Rich­tig­stel­lung zu suchen, kam man nicht.

Ein Mann wurde durch ein paar Leser­briefe zum Natio­nal­spieler“

Udo Muras

Mit wel­chen Kon­se­quenzen?
Die Redak­tion teilte dem Leser mit: Ja, Ihre Annahme trifft zu… Wir möchten hiermit den Vor­schlag machen, dass Jop­pich offi­ziell in die Liste der deut­schen Inter­na­tio­nalen auf­ge­nommen wird, genau wie alle anderen Ersatz­leute, die nach­träg­lich ein­traten.“ Ein Jahr später teilte der Kicker“ einem nach­ha­kenden Leser aus Guben mit: Ja, wir freuen uns, unseren Lesern mit­teilen zu können, dass Jop­pich nun auch amt­lich als Natio­nal­spieler geführt wird.“ Er sei im aktu­ellen Fuß­ball­jahr­buch des DFB in der Liste der Natio­nal­spieler ver­zeichnet“. Und so wurde Jop­pich ganz ohne sein Zutun offi­ziell zum deut­schen Natio­nal­spieler. Und nachdem er bereits 1940 im Zweiten Welt­krieg zu Tode kam, konnte er diesen Irrtum auch nicht noch mal auf­klären.

Wer hat aus Ihrer Sicht Schuld an diesem fun­da­men­talen Sta­tis­tik­fehler: der Kicker“ oder der DFB?
Der Kicker“ etwas mehr, er hat die Sache ins Rollen gebracht. Im Falle Jop­pich ist dem Fach­blatt wirk­lich alles miss­lungen, was miss­lingen kann. Sie erfinden seine Ein­wechs­lung, schreiben ihn falsch, ver­wech­seln ihn in der Bild­un­ter­schrift auf dem Mann­schafts­foto, bug­sieren ihn dann wegen der ver­ges­senen Gegen­dar­stel­lung in ihre eigene Sta­tistik und ver­leiten den DFB dazu, es auch zu tun. In den Alma­nach von 1939 bis 1960 haben sie ihn dann auch noch im fal­schen Spiel ein­ge­setzt. Da spielt er plötz­lich an Neu­jahr 1933 in Bologna gegen Ita­lien – stand aber defi­nitiv noch nicht mal im Kader. Und obwohl er 1940 ver­starb, gra­tu­lierte ihm der Kicker“ noch bis 1982 in seiner Glück­wunsch-Rubrik im Januar zum Geburtstag. Auf die Idee, mal Trainer Nerz oder einen Mit­spieler zu fragen, wie es damals gewesen war, kam auch der DFB nicht und so wurde ein Mann durch ein paar Leser­briefe zum Natio­nal­spieler. Der DFB und der Kicker“ haben in puncto Sta­tis­tiken über die Jahr­zehnte eng koope­riert, es gab ein gewisses Ver­trau­ens­ver­hältnis. Doch in dem Fall ging es schief.

Udo Muras, Sie sind ein intimer Kenner der deut­schen Fuß­ball­ge­schichte und gelten als Trüf­fel­schwein, wenn es um uner­zählte Geschichten aus der His­torie dieses Sports geht. Wie sind Sie auf diesen Fall gestoßen?
Ich arbeite frei­be­ruf­lich auch für den DFB und muss immer mal Rück­blicke schreiben, wenn Län­der­spiele anstehen. Auf den Fall bin ich schon vor Jahren gestoßen und habe mich gewun­dert, wieso jemand gegen den­selben Spieler ein- und wieder aus­ge­wech­selt werden kann. Zunächst habe ich es nicht weiter ver­folgt. Anläss­lich des Jubi­läums der 1000 Spiele hatte ich den Ehr­geiz, das auf­zu­klären und mir ein­fach mal die Kicker“-Ausgabe ange­sehen, die nach dem Spiel­be­richt erschien. Und dort fand ich Jop­pichs Gegen­dar­stel­lung.

Wer sich aufs Internet ver­lässt, hätte den Fall nie gelöst“

Udo Muras

Wie müssen wir uns Ihre Recher­chen kon­kret vor­stellen?
Sehr staubig. Ich habe die Kicker“-Bände seit 1920 fast alle zuhause. In dem Fall habe ich zudem meinen bril­lanten Kol­legen Udo Luy ein­ge­bunden, der quasi alle anderen Fuß­ball­be­richte vor dem Krieg digital gespei­chert hat. Eine Dame vom Stadt­ar­chiv Hoyers­werda hat die Lokal­zei­tung von damals gesichtet. Wer sich aufs Internet ver­lässt, hätte den Fall nie gelöst. Bei Wiki­pedia hat Jop­pich damals sogar 59 Minuten gespielt – und alle schreiben es ab. Da seine Ehe kin­derlos blieb, blieb meine Suche im fami­liären Umfeld ergeb­nislos. Es gibt wohl keinen mehr, der das Fami­li­en­ge­heimnis mit sich her­um­trägt. Seinen Verein, der sich mehr­mals umbe­nannt hat, habe ich gar nicht erst behel­ligt. Die Ver­eins­chronik beginnt erst mit der DDR-Zeit.

Was wissen Sie sonst noch über Karl Jop­pichs fuß­bal­le­ri­sches Schaffen?
Nicht viel mehr als Wiki­pedia. Er spielte nur ein Jahr in der Gau­liga Schle­sien und been­dete seine Kar­riere in Cottbus. Sein größter Tag war der 18. Oktober 1931, als er beim 3:0 der Süd­ost­aus­wahl gegen West­falen im Bun­des­pokal alle Tore schoss.

Wie geht es weiter? Haben Sie den DFB auf­ge­for­dert, die Anzahl der deut­schen Natio­nal­spieler auf 967 zu redu­zieren?
Ich habe einige Herren dort auf den Artikel hin­ge­wiesen und hoffe, dass sie ihre Schlüsse daraus ziehen. Das dauert immer eine Weile. Der Kicker“ hat die Zahl schon redu­ziert, aller­dings ohne die Hin­ter­gründe zu erklären.

Wenn sich der DFB in seinen Sta­tis­tiken derart auf den Kicker“ ver­lässt, glauben Sie, dass es noch wei­tere grund­le­gende Fehler aus der Früh­zeit des Fuß­balls im Ver­bands­ar­chiv gibt?
Ich hoffe nicht. Aber wenn man die dama­ligen Ver­hält­nisse bedenkt, ist immer noch was zu erwarten. 2011 wurde nach 100 Jahren ein Tor von Max Gablonsky end­lich aner­kannt, weil man einen Zettel in seinem Nach­lass fand mit der Notiz: 6. Tor von mir“. Bis dahin wurde es Gott­fried Fuchs zuge­schrieben. Vor dem Ersten Welt­krieg schickten teil­weise die Spieler von Aus­wärts­spielen selbst tele­gra­phi­sche Berichte und so kam es, dass es nach einem 0:9 in Eng­land hieß, man habe ganz gut gespielt“. Ich habe etliche fal­sche Angaben bei Toren gefunden, wo es Abwei­chungen von bis zu 20 Minuten gab. Das Ergebnis des ersten Län­der­spiels ist im Grunde umstritten, min­des­tens zwei Spieler sagten aus, in der Schweiz habe man 1908 2:5 statt 3:5 ver­loren, weil der Karls­ruher Spieler Fritz För­derer statt des Tores in Wahr­heit nur die Latte getroffen haben soll.

Udo Muras, letzte Frage: Sind sie schon dem nächsten Skandal auf der Spur?
Skandal würde ich es nicht nennen, aber ob der Dresdner Richard Hof­mann beim 4:0‑Sieg bei Olympia 1928 gegen die Schweiz wirk­lich drei Tore schoss oder eines davon an Ludwig Hof­mann ging – das ist die Frage. Es gibt da abwei­chende Angaben. Ludwig spielte bei den Bayern, ich habe also vor zwei Monaten das Ver­eins­mu­seum ange­fragt. Man wollte helfen, hat dann aber doch ver­gessen zu ant­worten. Viel­leicht ganz gut, sonst kriege ich in Sachsen noch ein Ein­rei­se­verbot.

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